
Das Feuer der Demokratie
Es ist ein grauer Morgen, und ich sitze am Küchentisch, den Blick auf die dampfende Tasse Kaffee gerichtet. Die Nachricht von Robert Habecks Rückzug aus der Parteiführung der Grünen hallt in mir nach und hinterlässt eine Leere, die schwer zu beschreiben ist.
Ich erinnere mich an die Zeit seit kurz vor Weihnachten, als die politische Landschaft von Resignation und dem Aufstieg rechter Strömungen geprägt war. Es bestand die Gefahr, dass die Grünen in einem einstelligen Bereich landen könnte. Doch dann trat Robert Habeck auf den Plan, nicht als typischer Politiker, sondern als jemand, der bereit war, zuzuhören. Er setzte sich an die Küchentische der Menschen, hörte ihre Sorgen und Ängste an und sprach mit einer Ehrlichkeit, die selten geworden war. Seine Wahlkampftour 2025 führte ihn quer durch Deutschland, von kleinen Dörfern bis in die großen Städte, immer mit dem Ziel, den direkten Dialog zu suchen. Er besuchte lokale Initiativen, diskutierte mit Bürgerinnen und Bürgern auf Marktplätzen und nahm sich die Zeit, auch den leisen Stimmen Gehör zu schenken. Diese Nähe und Authentizität entfachten das lange schlummernde Feuer der Demokratie neu. Unzählige Menschen traten in die Partei ein, inspiriert von seiner Vision und seinem unermüdlichen Einsatz. Die Grünen verloren im Vergleich zu SPD und FDP deutlich weniger Zustimmung, was sicherlich nicht zuletzt auf Habecks Fähigkeit zurückzuführen war, Hoffnung zu vermitteln und Menschen zu mobilisieren.
Ein Ereignis aus einer etwas weiter zurückliegenden Vergangenheit ist mir an diesem Tag besonders präsent: Vor etwa einem Jahr, im Januar 2024, kam es zu heftigen Bauernprotesten. Landwirte, aufgebracht über geplante Subventionsstreichungen, blockierten den Fähranleger in Schlüttsiel. Habeck befand sich auf dem Rückweg von einem privaten Ausflug zur Hallig Hooge und war an Bord der Fähre, die nun von den Protestierenden am Anlegen gehindert wurde. Trotz der aufgeheizten Stimmung entschied sich Habeck, das Gespräch zu suchen. Er trat den Landwirten entgegen, und versuchte, einen Dialog zu führen. Dieser mutige Schritt, sich trotz persönlicher Bedrohung den Protestierenden zu stellen, nötigte mir großen Respekt ab. Gleichzeitig erfüllte mich die Eskalation der Proteste mit Sorge um den Zustand unserer Demokratie. Dieses Ereignis war für mich der Auslöser, den Grünen beizutreten. Bisher passives Mitglied, habe ich in den letzten Tagen den Entschluss gefasst, mich künftig aktiv für eine konstruktive politische Kultur einzusetzen. Für das Klima, dessen Bedrohung so viele in unserer Gesellschaft gar nicht mehr sehen wollen.
Nun, nach den für ihn enttäuschenden Wahlergebnissen, zieht sich Habeck zurück. Ich verstehe seine Entscheidung, respektiere sie natürlich, aber sie hinterlässt eine schmerzliche Lücke. Die Gefahr, die Hoffnung zu verlieren, ist real. Jedenfalls für mich, im Moment, in dem wir so viel zu verarbeiten haben und so wenig Ideen für die Zukunft.
Ich bewundere ihn für seine auch am Wahlabend mutigen Auftritt, als er Alice Weidel im Fernsehen entlarvte, weil sie versuchte, der Ukraine die Schuld am Krieg zuzuschieben. Habeck intervenierte und stellte die Fakten klar, ein Moment, der vielen von uns zeigte, dass Integrität und Mut in der Politik noch existieren. Söder schloss sich deutlich weniger redegewandt an, nachdem er kurz vorher mal wieder gezeigt hat, wie sehr er Habeck hasst. Ich glaube er sieht nicht, wie sehr er sich und seinen Neid auf diesen Mann damit selbst entlarvt. Nun, seine Millionen Wähler sehen es auch nicht und scheinen diese Art Burger futternden Mann toll zu finden, verstehen muss man es nicht. Die verdrehten Augen Robert Habecks bei Weidels Lügen werden jedenfalls ein Meme für die Ewigkeit bleiben. Auch sein Angebot an die Union, in den verbleibenden Wochen bis Ende März die Schuldenbremse zu reformieren, zeugte von seinem Willen zur Zusammenarbeit und seinem Blick für das größere Ganze.
Die Medienlandschaft, allen voran die BILD und andere Springer-Medien, aber auch öffentlich-rechtliche Sender, trugen dazu bei, das Bild von Habeck zu verzerren. In einer anderen Zeit hätte er den Respekt erhalten, den er verdient. Er hat Deutschland geholfen, als in Europa der Krieg wieder ausbrach, er hat uns durch einen Winter geführt, vor dem wir alle Angst hatten, denn dass wir weiter russisches Gas erhalten, war nicht sicher. Natürlich war er nicht perfekt, wer ist das schon. Aber ich zumindest bewundere Menschen, die die Größe haben, auch Fehler einzugestehen und das offen auszusprechen. Ich hoffe, dass die Geschichte ihn gerecht beurteilen wird. Für mich bleibt er ein Bild für die Hoffnung, ein Beweis dafür, dass Politik mit Anstand und Menschlichkeit möglich ist.
Während ich hier sitze und versuche, meine Gedanken zu ordnen, andere Quellen für die Hoffnung zu finden, spüre ich zumindest das: die Verantwortung, dieses Feuer am Leben zu erhalten. Habeck mag sich zurückziehen, aber die Flamme, die er entzündet hat, brennt weiter, in vielen von uns. Es liegt an uns, sie zu hüten und weiterzugeben, damit die Demokratie in Deutschland nicht nur überlebt, sondern irgendwann wieder gedeiht.